5 Der Satz ist eine Wahrheitsfunktion der Elementarsätze.
(Der Elementarsatz ist eine Wahrheitsfunktion seiner selbst.)
5.01Die Elementarsätze sind die Wahrheitsargumente des Satzes.
5.02Es liegt nahe, die Argumente von Funktionen mit den Indices von Namen zu verwechseln. Ich erkenne nämlich sowohl am Argument wie am Index die Bedeutung des sie enthaltenden Zeichens.
In Russell’s »+c« ist z.B. »c« ein Index, der darauf hinweist, daß das ganze Zeichen das Additionszeichen für Kardinalzahlen ist. Aber diese Bezeichnung beruht auf willkürlicher Übereinkunft und man könnte statt »+c« auch ein einfaches Zeichen wählen; in »~p« aber ist »p« kein Index, sondern ein Argument: der Sinn von »~p« kann nicht verstanden werden, ohne daß vorher der Sinn von »p« verstanden worden wäre. (Im Namen Julius Cäsar ist »Julius« ein Index. Der Index ist immer ein Teil einer Beschreibung des Gegenstandes, dessen Namen wir ihn anhängen. Z.B. Der Cäsar aus dem Geschlechte der Julier.)
Die Verwechslung von Argument und Index liegt, wenn ich mich nicht irre, der Theorie Frege’s von der Bedeutung der Sätze und Funktionen zugrunde. Für Frege waren die Sätze der Logik Namen, und deren Argumente die Indices dieser Namen.
5.1Die Wahrheitsfunktionen lassen sich in Reihen ordnen.
Das ist die Grundlage der Wahrscheinlichkeitslehre.
5.101Die Wahrheitsfunktionen jeder Anzahl von Elementarsätzen lassen sich in einem Schema folgender Art hinschreiben:

(W) (p,q) Tautologie (Wenn p, so p, und wenn q, so q.) (pimpliesp.qimpliesq)
(W) (p,q) in Worten: Nicht beides p und q. (~(p.q))
(W) (p,q)  "     " Wenn q, so p. (qimpliesp)
(W) (p,q)  "     " Wenn p, so q. (pimpliesq)
(F) (p,q)  "     " p oder q. (pvq)
(W) (p,q)  "     " Nicht q. (~q)
(W) (p,q)  "     " Nicht p. (~p)
(F) (p,q)  "     " p, oder q, aber nicht beide. (p.~q:v:q.~p)
(W) (p,q)  "     " Wenn p, so q; und wenn q, so p (pimpliesq)
(F) (p,q)  "     " p
(F) (p,q)  "     " q
(W) (p,q)  "     " Weder p noch q. (~p.~q) oder (p|q)
(F) (p,q)  "     " p und nicht q. (p.~q)
(F) (p,q)  "     " q und nicht p. (q.~p)
(F) (p,q)  "     " q und p. (q.p)
(F) (p,q) Kontradiktion (p und nicht p; und q und nicht q.) (p.~p.q.~q)

Diejenigen Wahrheitsmöglichkeiten seiner Wahrheitsargumente, welche den Satz bewahrheiten, will ich seine Wahrheitsgründe nennen.
5.11Sind die Wahrheitsgründe, die einer Anzahl von Sätzen gemeinsam sind, sämtlich auch Wahrheitsgründe eines bestimmten Satzes, so sagen wir, die Wahrheit dieses Satzes folge aus der Wahrheit jener Sätze
5.12Insbesondere folgt die Wahrheit eines Satzes »p« aus der Wahrheit eines anderen »q«, wenn alle Wahrheitsgründe des zweiten Wahrheitsgründe des ersten sind.
5.121Die Wahrheitsgründe des einen sind in denen des anderen enthalten; p folgt aus q.
5.122Folgt p aus q, so ist der Sinn von »p« im Sinne von »q« enthalten.
5.123Wenn ein Gott eine Welt erschafft, worin gewisse Sätze wahr sind, so schafft er damit auch schon eine Welt, in welcher alle ihre Folgesätze stimmen. Und ähnlich könnte er keine Welt schaffen, worin der Satz »p« wahr ist, ohne seine sämtlichen Gegenstände zu schaffen.
5.124Der Satz bejaht jeden Satz, der aus ihm folgt.
5.1241»p.q« ist einer der Sätze, welche »p« bejahen und zugleich einer der Sätze, welche »q« bejahen.
Zwei Sätze sind einander entgegengesetzt, wenn es keinen sinnvollen Satz gibt, der sie beide bejaht.
Jeder Satz der einem anderen widerspricht, verneint ihn.
5.13Daß die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer Sätze folgt, ersehen wir aus der Struktur der Sätze.
5.131Folgt die Wahrheit eines Satzes aus der Wahrheit anderer, so drückt sich dies durch Beziehungen aus, in welchen die Formen jener Sätze zu einander stehen; und zwar brauchen wir sie nicht erst in jene Beziehung zu setzen, indem wir sie in einem Satz miteinander verbinden, sondern diese Beziehungen sind intern und bestehen, sobald, und dadurch, daß jene Sätze bestehen.
5.1311Wenn wir von pvq und ~p auf q schließen, so ist hier durch die Bezeichnungsweise die Beziehung der Satzformen von »pvq« und »~p« verhüllt. Schreiben wir aber z.B. statt »pvq« »p|q . | . p|q« und statt »~p« »p|p« (p|q = weder p, noch q), so wird der innere Zusammenhang offenbar.
(Das man aus (x). fx auf fa schließen kann, das zeigt, daß die Allgemeinheit auch im Symbol »(x). fx« vorhanden ist.)
5.132Folgt p aus q, so kann ich von q auf p schließen; p aus q folgern.
Die Art des Schlusses ist allein aus den beiden Sätzen zu entnehmen.
Nur sie selbst können den Schluß rechtfertigen.
»Schlußgesetze«, welche – wie bei Frege und Russell – die Schlüsse rechtfertigen sollen, sind sinnlos, und wären überflüssig.
5.133Alles Folgern geschieht a priori.
5.134Aus einem Elementarsatz läßt sich kein anderer folgern.
5.135Auf keine Weise kann aus dem Bestehen irgendeiner Sachlage auf das Bestehen einer, von ihr gänzlich verschiedenen Sachlage geschlossen werden.
5.136Einen Kausalnexus, der einen solchen Schluß rechtfertigt, gibt es nicht.
5.1361Die Ergebnisse der Zukunft können wir nicht aus den gegenwärtigen erschließen.
Der Glaube an den Kausalnexus ist der Aberglaube.
5.1362Die Willensfreiheit besteht darin, das zukünftige Handlungen jetzt nicht gewußt werden können. Nur dann könnten wir sie wissen, wenn die Kausalität eine innere Notwendigkeit wäre, wie die des logischen Schlusses. – Der Zusammenhang von Wissen und Gewußtem, ist der der logischen Notwendigkeit.
(»A weiß, daß p der Fall ist« ist sinnlos, wenn p eine Tautologie ist.)
5.1363Wenn daraus, daß ein Satz uns einleuchtet, nicht folgt, daß er wahr ist, so ist das Einleuchten auch keine Rechtfertigung für unseren Glauben an seine Wahrheit.
5.14Folgt ein Satz aus einem anderen, so sagt dieser mehr als jener, jener weniger als dieser.
5.141Folgt p aus q und q aus p, so sind sie ein und derselbe Satz.
5.142Die Tautologie folgt aus allen Sätzen: sie sagt Nichts.
5.143Die Kontradiktion ist das Gemeinsame der Sätze, was kein Satz mit einem anderen gemein hat. Die Tautologie ist das Gemeinsame aller Sätze, welche nichts miteinander gemein haben.
Die Kontradiktion verschwindet sozusagen außerhalb, die Tautologie innerhalb aller Sätze.
Die Kontradiktion ist die äußerste Grenze der Sätze, die Tautologie ist substanzloser Mittelpunkt.
5.15Ist Wr die Anzahl der Wahrheitsgründe des Satzes »r«, Wrs die Anzahl derjenigen Wahrheitsgründe des Satzes »s«, die zugleich Wahrheitsgründe von »r« sind, dann nennen wir das Verhältnis: Wrs:Wr das Maß der Wahrscheinlichkeit, welche der Satz »r« dem Satz »s« gibt.
5.151Sei in einem Schema wie in dem obigen in No. 5.101 Wr die Anzahl der »W« im Satze r; Wrs die Anzahl derjenigen »W« im Satze s, die in gleichen Kolonnen mit »W« des Satzes r stehen. Der Satz r gibt dann dem Satze s die Wahrscheinlichkeit: Wrs:Wr.
5.1511Es gibt keinen besonderen Gegenstand, der den Wahrscheinlichkeitssätzen eigen wäre.
5.152Sätze, welche keine Wahrheitsargumente mit einander gemein haben, nennen wir von einander unabhängig.
Zwei Elementarsätze geben einander die Wahrscheinlichkeit 1/2.
Folgt p aus q, so gibt der Satz »q« dem Satz »p« die Wahrscheinlichkeit 1. Die Gewißheit des logischen Schlusses ist ein Grenzfall der Wahrscheinlichkeit.
(Anwendung auf Tautologie und Kontradiktion.)
5.153Ein Satz ist an sich weder wahrscheinlich noch unwahrscheinlich. Ein Ereignis trifft ein, oder es trifft nicht ein, ein Mittelding gibt es nicht.
5.154In einer Urne seien gleichviel weiße und Schwarze Kugeln (und keine anderen). Ich ziehe eine Kugel nach der anderen und lege sie wieder in die Urne zurück. Dann kann ich durch den Versuch feststellen, daß sich die Zahlen der gezogenen schwarzen und weißen Kugeln bei fortgesetztem Ziehen einander nähern.
Das ist also kein mathematisches Faktum.
Wenn ich nun sage: Es ist gleich wahrscheinlich, daß ich eine weiße Kugel wie eine schwarze ziehen werde, so heißt das: Alle mir bekannten Umstände (die hypothetisch angenommenen Naturgesetze mitinbegriffen) geben dem Eintreffen des einen Ereignisses nicht mehr Wahrscheinlichkeit als dem Eintreffen des anderen. Das heißt, sie geben – wie aus den obigen Erklärungen leicht zu entnehmen ist – jedem die Wahrscheinlichkeit 1/2.
Was ich durch den Versuch bestätige, ist, daß das Eintreffen der beiden Ereignisse von den Umständen, die ich nicht näher kenne, unabhängig ist.
5.155Die Einheit des Wahrscheinlichkeitssatzes ist: Die Umstände – die ich sonst nicht weiter kenne – geben dem Eintreffen eines bestimmten Ereignisses den und den Grad der Wahrscheinlichkeit.
5.156So ist die Wahrscheinlichkeit eine Verallgemeinerung. Sie involviert eine allgemeine Beschreibung einer Satzform.
Nur in Ermangelung der Gewißheit gebrauchen wir die Wahrscheinlichkeit. – Wenn wir zwar eine Tatsache nicht vollkommen kennen, wohl aber etwas über ihre Form wissen.
(Ein Satz kann zwar ein unvollständiges Bild einer gewissen Sachlage sein, aber er ist immer ein vollständiges Bild.)
Der Wahrscheinlichkeitssatz ist gleichsam ein Auszug aus anderen Sätzen.
5.2Die Strukturen der Sätze stehen in internen Beziehungen zu einander.
5.21Wir können diese internen Beziehungen dadurch in unserer Ausdrucksweise hervorheben, daß wir einen Satz als Resultat einer Operation darstellen, die ihn aus anderen Sätzen (den Basen der Operation) hervorbringt.
5.22Die Operation ist Ausdruck einer Beziehung zwischen den Strukturen ihres Resultats und ihrer Basen.
5.23Die Operation ist das, was mit dem einen Satz geschehen muß, um aus ihm den anderen zu machen.
5.231Und das wird natürlich von ihren formalen Eigenschaften, von der internen Ähnlichkeit ihrer Formen abhängen.
5.232Die interne Relation, die eine Reihe ordnet, ist äquivalent mit der Operation, durch welche ein Glied aus dem anderen entsteht.
5.233Die Operation kann erst dort auftreten, wo ein Satz auf logisch bedeutungsvolle Weise aus einem anderen entsteht. Also dort, wo die logische Konstruktion des Satzes anfängt.
5.234Die Wahrheitsfunktionen der Elementarsätze sind Resultate von Operationen, die die Elementarsätze als Basen haben. (Ich nenne diese Operationen Wahrheitsoperationen.)
5.2341Der Sinn einer Wahrheitsfunktion von p ist eine Funktion des Sinnes von p.
Verneinung, logische Addition, logische Multiplikation, etc., etc. sind Operationen.
(Die Verneinung verkehrt den Sinn des Satzes.)
5.24Die Operation zeigt sich in einer Variablen; sie zeigt, wie man von einer Form von Sätzen zu einer anderen gelangen kann.
Sie bringt den Unterschied der Formen zum Ausdruck. (Und das Gemeinsame zwischen den Basen und dem Resultat der Operation sind eben die Basen.)
5.241Die Operation kennzeichnet keine Form, sondern nur den Unterschied der Formen.
5.242Dieselbe Operation, die »q« aus »p« macht, macht aus »q« »r« usf. Dies kann nur darin ausgedrückt sein, daß »p«, »q«, »r«, etc. Variable sind, die gewisse formale Relationen allgemein zum Ausdruck bringen.
5.25Das Vorkommen der Operation charakterisiert den Sinn des Satzes nicht.
Die Operation sagt ja nichts aus, nur ihr Resultat, und dies hängt von den Basen der Operation ab.
(Operation und Funktion dürfen nicht miteinander verwechselt werden.)
5.251Eine Funktion kann nicht ihr eigenes Argument sein, wohl aber kann das Resultat einer Operation ihre eigene Basis werden.
5.252Nur so ist das Fortschreiten von Glied zu Glied in einer Formenreihe (von Type zu Type in den Hierarchien Russells und Whiteheads) möglich. (Russell und Whitehead haben die Möglichkeit dieses Fortschreitens nicht zugegeben, aber immer wieder von ihr Gebrauch gemacht.)
5.2521Die fortgesetzte Anwendung einer Operation auf ihr eigenes Resultat nenne ich ihre successive Anwendung (»O’O’O’a« ist das Resultat der dreimaligen successiven Anwendung von »O’ xi« auf »a«).
In einem ähnlichen Sinne rede ich von der successiven Anwendung mehrerer Operationen auf eine Anzahl von Sätzen.
5.2522Das allgemeine Glied einer Formenreihe a, O’ a, O’ O’ a, ... schreibe ich daher so: »[a, x, O’x]«. Dieser Klammerausdruck ist eine Variable. Das erste Glied des Klammerausdrucks ist der Anfang der Formenreihe, das zweite die Form eines beliebigen Gliedes x der Reihe und das dritte die Form desjenigen Gliedes der Reihe, welches auf x unmittelbar folgt.
5.2523Der Begriff der successiven Anwendung der Operation ist äquivalent mit dem Begriff »und so weiter«.
5.253Eine Operation kann die Wirkung einer anderen rückgängig machen. Operationen können einander aufheben.
5.254Die Operation kann verschwinden (z.B. die Verneinung in »~~p« ~~p=p).
5.3Alle Sätze sind Resultate von Wahrheitsoperationen mit den Elementarsätzen.
Die Wahrheitsoperation ist die Art und Weise, wie aus den Elementarsätzen die Wahrheitsfunktion entsteht.
Nach dem Wesen der Wahrheitsoperation wird auf die gleiche Weise, wie aus den Elementarsätzen ihre Wahrheitsfunktion, aus Wahrheitsfunktionen eine Neue. Jede Wahrheitsoperation erzeugt aus Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen wieder eine Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen, einen Satz. Das Resultat jeder Wahrheitsoperation mit den Resultaten von Wahrheitsoperationen mit Elementarsätzen ist wieder das Resultat Einer Wahrheitsoperation mit Elementarsätzen.
Jeder Satz ist das Resultat von Wahrheitsoperationen mit Elementarsätzen.
5.31Die Schemata No. 4.31 haben auch dann eine Bedeutung, wenn »p«, »q«, »r«, etc. nicht Elementarsätze sind. Und es ist leicht zu sehen, daß das Satzzeichen in No. 4.442, auch wenn »p« und »q« Wahrheitsfunktionen von Elementarsätzen sind, eine Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen ausdrückt.
5.32Alle Wahrheitsfunktionen sind Resultate der successiven Anwendung einer endlichen Anzahl von Wahrheitsoperationen auf die Elementarsätze.
5.4Hier zeigt es sich, daß es »logische Gegenstände«, »logische Konstante« (im Sinne Freges und Russells) nicht gibt.
5.41Denn: Alle Resultate von Wahrheitsoperationen mit Wahrheitsfunktionen sind identisch, welche eine und dieselbe Wahrheitsfunktion von Elementarsätzen sind.
5.42Das v, implies, etc. nicht Beziehungen im Sinne von rechts und links etc. sind, leuchtet ein.
Die Möglichkeit des kreuzweisen Definierens der logischen »Urzeichen« Freges und Russells zeigt schon, daß dies keine Urzeichen sind, und schon erst recht, daß sie keine Relationen bezeichnen.
Und es ist offenbar, daß das »implies«, welches wir durch »~« und »v« definieren, identisch ist mit dem, durch welches wir »v« mit »~« definieren und daß dieses »v« mit dem ersten identisch ist. Usw.
5.43Daß aus einer Tatsache p unendlich viele andere folgen sollten, nämlich ~ ~ p, ~ ~ ~ ~ p, etc., ist doch von vornherein kaum zu glauben. Und nicht weniger merkwürdig ist, daß die unendliche Anzahl der Sätze der Logik (der Mathematik) aus einem halben Dutzend »Grundgesetzen« folgen.
Alle Sätze der Logik sagen aber dasselbe. Nämlich nichts.
5.44Die Wahrheitsfunktionen sind keine materiellen Funktionen.
Wenn man z.B. eine Bejahung durch doppelte Verneinung erzeugen kann, ist dann die Verneinung – in irgendeinem Sinn – in der Bejahung enthalten? Verneint »~ ~  ~ p, oder bejaht es p; oder beides?
Der Satz »~ ~  handelt nicht von der Verneinung wie von einem Gegenstand; wohl aber ist die Möglichkeit der Verneinung in der Bejahung bereits präjudiziert.
Und gäbe es einen Gegenstand, der »~« hieße, so müßte »~ ~  etwas anderes sagen als »p«. Denn der eine Satz würde dann eben von ~ handeln, der andere nicht.
5.441Dieses Verschwinden der scheinbaren logischen Konstanten tritt auch ein, wenn »~ (Ex) . ~ fx« dasselbe sagt wie »(x) . fx«, oder »(Ex) . fx.x=a« dasselbe wie »fa«.
5.442Wenn uns ein Satz gegeben ist, so sind mit ihm auch schon die Resultate aller Wahrheitsoperationen, die ihn zur Basis haben, gegeben.
5.45Gibt es logische Urzeichen, so muß eine richtige Logik ihre Stellung zueinander klar machen und ihr Dasein rechtfertigen. Der Bau der Logik aus ihren Urzeichen muß klar werden.
5.451Hat die Logik Grundbegriffe, so müssen sie von einander unabhängig sein. Ist ein Grundbegriff eingeführt, so muß er in allen Verbindungen eingeführt sein, worin er überhaupt vorkommt. Man kann ihn also nicht zuerst für eine Verbindung, dann noch für eine andere einführen. Z.B.: Ist die Verneinung eingeführt, so müssen wir sie in Sätzen von der Form »~  ebenso verstehen, wie in Sätzen wie »~ (pvq)«, »(Ex) . ~fx« u.a. Wir dürfen sie nicht erst für die eine Klasse von Fällen, dann für die andere einführen, denn es bliebe dann zweifelhaft, ob ihre Bedeutung in beiden Fällen die gleiche wäre und es wäre kein Grund vorhanden, in beiden Fällen dieselbe Art der Zeichenverbindung zu benützen.
(Kurz, für die Einführung der Urzeichen gilt, mutatis mutandis, dasselbe, was Frege (»Grundgesetze der Arithmetik«) für die Einführung von Zeichen durch Definitionen gesagt hat.)
5.452Die Einführung eines neuen Behelfes in den Symbolismus der Logik muß immer ein folgenschweres Ereignis sein. Kein neuer Behelf darf in die Logik – sozusagen, mit ganz unschuldiger Miene – in Klammern oder unter dem Strich eingeführt werden.
(So kommen in den »Principia Mathematica« von Russell und Whitehead Definitionen und Grundgesetze in Worten vor. Warum hier plötzlich Worte? Dies bedürfte einer Rechtfertigung. Sie fehlt und muß fehlen, da das Vorgehen tatsächlich unerlaubt ist.)
Hat sich aber die Einführung eines neuen Behelfes an einer Stelle als nötig erwiesen, so muß man sich nun sofort fragen: Wo muß dieser Behelf nun immer angewandt werden? Seine Stellung in der Logik muß nun erklärt werden.
5.453Alle Zahlen der Logik müssen sich rechtfertigen lassen.
Oder vielmehr: Es muß sich herausstellen, daß es in der Logik keine Zahlen gibt.
Es gibt keine ausgezeichneten Zahlen.
5.454In der Logik gibt es kein Nebeneinander, kann es keine Klassifikation geben.
In der Logik kann es nichts Allgemeines und Spezielleres geben.
5.4541Die Lösung der logischen Probleme müssen einfach sein, denn sie setzen den Standard der Einfachheit.
Die Menschen haben immer geahnt, daß es ein Gebiet von Fragen geben müsse, deren Antworten – a priori – symmetrisch, und zu einem abgeschlossenen, regelmäßigen Gebilde vereintliegen.
Ein Gebiet, in dem der Satz gilt: simplex sigillum veri.
5.46Wenn man die logischen Zeichen richtig einführte, so hätte man damit auch schon den Sinn aller ihrer Kombinationen eingeführt; also nicht nur »pvq« sondern auch »~(p v~q)« etc. etc. Man hätte damit auch schon die Wirkung aller nur möglichen Kombinationen von Klammern eingeführt. Und damit wäre es klar geworden, daß die eigentlichen allgemeinen Urzeichen nicht die »pvq«, »(Ex) . fx«, etc. sind, sondern die allgemeinste Form ihrer Kombinationen.
5.461Bedeutungsvoll ist die scheinbar unwichtige Tatsache, daß die logischen Scheinbeziehungen, wie v und implies, der Klammern bedürfen – im Gegensatz zu den wirklichen Beziehungen.
Die Benützung der Klammern mit jenen scheinbaren Urzeichen deutet ja schon darauf hin, daß diese nicht die wirklichen Urzeichen sind. Und es wird doch wohl niemand glauben, daß die Klammern eine selbständige Bedeutung haben.
5.4611Die logischen Operationszeichen sind Interpunktionen.
5.47Es ist klar, daß alles, was sich überhaupt von vornherein über die Form aller Sätze sagen läßt, sich auf einmal sagen lassen muß.
Sind ja schon im Elementarsatze alle logischen Operationen enthalten. Denn »fa« sagt dasselbe wie »(Ex) . fx . x =a«.
Wo Zusammengesetztheit ist, da ist Argument und Funktion, und wo diese sind, sind bereits alle logischen Konstanten.
Man könnte sagen: Die Eine logische Konstante ist das, was alle Sätze, ihrer Natur nach, mit einander gemein haben.
Das aber ist die allgemeine Satzform.
5.471Die allgemeine Satzform ist das Wesen des Satzes.
5.4711Das Wesen des Satzes angeben, heißt, das Wesen aller Beschreibungen angeben, also das Wesen der Welt.
5.472Die Beschreibung der allgemeinsten Satzform ist die Beschreibung des einen und einzigen allgemeinen Urzeichens der Logik.
5.473Die Logik muß für sich selber sorgen.
Ein mögliches Zeichen muß auch bezeichnen können. Alles was in der Logik möglich ist, ist auch erlaubt. (»Sokrates ist identisch« heißt darum nichts, weil es keine Eigenschaft gibt, die »identisch« heißt. Der Satz ist unsinnig, weil wir eine willkürliche Bestimmung nicht getroffen haben, aber nicht darum, weil das Symbol an und für sich unerlaubt wäre.)
Wir können uns, in gewissem Sinne, nicht in der Logik irren.
5.4731Das Einleuchten, von dem Russell so viel sprach, kann nur dadurch in der Logik entbehrlich werden, das die Sprache selbst jeden logischen Fehler verhindert. – Daß die Logik a priori ist, besteht darin, daß nicht unlogisch gedacht werden kann.
5.4732Wir können einem Zeichen nicht den unrechten Sinn geben.
5.47321Occams Devise ist natürlich keine willkürliche, oder durch ihren praktischen Erfolg gerechtfertigte Regel: Sie besagt, daß unnötige Zeicheneinheiten nichts bedeuten.
Zeichen, die Einen Zweck erfüllen, sind logisch äquivalent, Zeichen, die keinen Zweck erfüllen, logisch bedeutungslos.
5.4733Frege sagt: Jeder rechtmäßig gebildete Satz muß einen Sinn haben; und ich sage: Jeder mögliche Satz ist rechtmäßig gebildet, und wenn er keinen Sinn hat, so kann das nur daran liegen, daß wir einigen seiner Bestandteile keine Bedeutung gegeben haben.
(Wenn wir auch glauben, es getan zu haben.)
So sagt »Sokrates ist identisch« darum nichts, weil wir dem Wort »identisch« als Eigenschaftswort keine Bedeutung gegeben haben. Denn, wenn es als Gleichheitszeichen auftritt, so symbolisiert es auf ganz andere Art und Weise – die bezeichnende Beziehung ist eine andere –, also ist auch das Symbol in beiden Fällen ganz verschieden; die beiden Symbole haben nur das Zeichen zufällig miteinander gemein.
5.474Die Anzahl der nötigen Grundoperationen hängt nur von unserer Notation ab.
5.475Es kommt nur darauf an, Ein Zeichensystem von einer bestimmten Anzahl von Dimensionen – von einer bestimmten mathematischen Mannigfaltigkeit – zu bilden.
5.476Es ist klar, daß es sich hier nicht um eine Anzahl von Grundbegriffen handelt, die bezeichnet werden müssen, sondern um den Ausdruck einer Regel.
5.5Jede Wahrheitsfunktion ist ein Resultat der successiven Anwendung der Operation (-----W) (xi, . . . .) auf Elementarsätze.
Diese Operation verneint sämtliche Sätze in der rechten Klammer, und ich nenne sie die Negation dieser Sätze.
5.501Ein Klammerausdruck, dessen Glieder Sätze sind, deute ich – wenn die Reihenfolge der Glieder in der Klammer gleichgültig ist – durch ein Zeichen von der Form »(_xi an. »xi« ist eine Variable, deren Werte die Glieder des Klammerausdruckes sind; und der Strich über der Variablen deutet an, daß sie ihre sämtlichen Werte in der Klammer vertritt.
(Hat also xi etwa die 3 Werte P, Q, R, so ist (_xi)=(P, Q, R).)
Die Werte der Variablen werden festgesetzt.
Die Festsetzung ist die Beschreibung der Sätze, welche die Variable vertritt.
Wie die Beschreibung der Glieder des Klammerausdrucks geschieht, ist unwesentlich.
Wir können drei Arten der Beschreibung unterscheiden: 1. die direkte Aufzählung. In diesem Fall können wir statt der Variablen einfach ihre konstanten Werte setzen. 2. Die Angabe einer Funktion fx, deren Werte für alle Werte von x die zu beschreibenden Sätze sind. 3. Die Angabe eines formalen Gesetzes, nach welchem jene Sätze gebildet sind. In diesem Falle sind die Glieder des Klammerausdrucks sämtliche Glieder einer Formenreihe.
5.502Ich schreibe also statt »(-----W) (xi, . . . .)« »N(_xi)«.
N(_xi) ist die Negation sämtlicher Werte der Satzvariablen xi.
5.503Da sich offenbar leicht ausdrücken läßt, wie mit dieser Operation Sätze gebildet werden können und wie Sätze mit ihr nicht zu bilden sind, so muß dies auch einen exakten Ausdruck finden können.
5.51Hat xi nur einen Wert, so ist N (_xi) =~p (nicht p), hat es zwei Werte, so ist N(_xi) =~p. ~q (weder p noch q).
5.511Wie kann die allumfassende, weltspiegelnde Logik so spezielle Haken und Manipulationen gebrauchen? Nur, indem sich alle diese zu einem unendlich feinen Netzwerk, zu dem großen Spiegel, verknüpfen.
5.512»~p« ist wahr, wenn »p« falsch ist, Also in dem wahren Satz »~p« ist p ein falscher Satz. Wie kann ihn nun der Strich »~« mit der Wirklichkeit zum Stimmen bringen?
Das, was in »~p« verneint, ist aber nicht das »~«, sondern dasjenige, was allen Zeichen dieser Notation, welche p verneinen, gemeinsam ist.
Also die gesamte Regel, nach welcher »~ , »~~~ , »~ p v ~ , »~ p . ~ , etc. etc. (ad inf.) gebildet werden. Und dies Gemeinsame spiegelt die Verneinung wider.
5.513Man könnte sagen: Das Gemeinsame aller Symbole, die sowohl p als q bejahen, ist der Satz »p . . Das Gemeinsame aller Symbole, die entweder p oder q bejahen, ist der Satz »pvq«.
Und so kann man sagen: Zwei Sätze sind einander entgegengesetzt, wenn sie nichts miteinander gemein haben, und: Jeder Satz hat nur ein Negativ, weil es nur einen Satz gibt, der ganz außerhalb seiner liegt.
Es zeigt sich so auch in Russells Notation, daß »p:qv~p« dasselbe sagt wie »q«; daß »pv~p« nichts sagt.
5.514Ist eine Notation festgelegt, so gibt es in ihr eine Regel, nach der alle p verneinenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle p bejahenden Sätze gebildet werden, eine Regel, nach der alle p oder q bejahenden Sätze gebildet werden, usf. Diese Regeln sind den Symbolen äquivalent und in ihnen spiegelt sich ihr Sinn wider.
5.515Es muß sich an unseren Symbolen zeigen, daß das, was durch »v«, ».«, etc. miteinander verbunden ist, Sätze sein müssen.
Und dies ist auch der Fall, denn das Symbol »p« und »q« setzt ja das »v«, »~«, etc. voraus. Wenn das Zeichen »p« in »pvq« nicht für ein komplexes Zeichen steht, dann kann es allein nicht Sinn haben; dann können aber auch die mit »p« gleichsinnigen Zeilen »pvp«, »p . , etc. keinen Sinn haben. Wenn aber »pvp« keinen Sinn hat, dann kann auch »pvq« keinen Sinn haben.
5.5151Muß das Zeichen des negativen Satzes mit dem Zeichen des positiven gebildet werden? Warum sollte man den Negativen Satz nicht durch eine negative Tatsache ausdrücken können. (Etwa: Wenn »a« nicht in einer bestimmten Beziehung zu »b« steht, könnte das ausdrücken, daß aRb nicht der Fall ist.)
Aber auch hier ist ja der negative Satz indirekt durch den positiven gebildet.
Der positive Satz muß die Existenz des negativen Satzes voraussetzen und umgekehrt.
5.52Sind die Werte von xi sämtliche Werte einer Funktion fx für alle Werte von x, so wird N(_xi)=~(Ex) . fx.
5.521Ich trenne den Begriff Alle von der Wahrheitsfunktion.
Frege und Russell haben die Allgemeinheit in Verbindung mit dem logischen Produkt oder der logischen Summe eingeführt. So wurde es schwer, die Sätze »(Ex) . fx« und »(x) . fx«, in welchen beide Ideen beschlossen liegen, zu verstehen.
5.522Das Eigentümliche der Allgemeinheitsbezeichnung ist erstens, daß sie auf ein logisches Urbild hinweist, und zweitens, daß sie Konstante hervorhebt.
5.523Die Allgemeinheitsbezeichnung tritt als Argument auf.
5.524Wenn die Gegenstände gegeben sind, so sind uns damit auch schon alle Gegenstände gegeben.
Wenn die Elementarsätze gegeben sind, so sind damit auch alle Elementarsätze gegeben.
5.525Es ist unrichtig, den Satz »(Ex) . fx« – wie Russell dies tut – in Worten durch »fx ist möglich« wiederzugeben.
Gewißheit, Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Sachlage wird nicht durch einen Satz ausgedrückt, sondern dadurch, daß ein Ausdruck eine Tautologie, ein sinnvoller Satz, oder eine Kontradiktion ist.
Jener Präzedenzfall, auf den man sich immer berufen möchte, muß schon im Symbol selber liegen.
5.526Man kann die Welt vollständig durch vollkommen verallgemeinerte Sätze beschreiben, das heißt also, ohne irgendeinen Namen von vornherein einem bestimmten Gegenstand zuzuordnen.
Um dann auf die gewöhnliche Ausdrucksweise zu kommen, muß man einfach nach einem Ausdruck »es gibt ein und nur ein x, welches ...« sagen: Und dies x ist a.
5.5261Ein vollkommen verallgemeinerter Satz ist, wie jeder andere Satz zusammengesetzt. (Dies zeigt sich daran, daß wir in »(Ex, phi) . phi »phi« und »x« getrennt erwähnen müssen. Beide stehen unabhängig in bezeichnenden Beziehungen zur Welt, wie im unverallgemeinerten Satz.)
Kennzeichen des zusammengesetzten Symbols: Es hat etwas mit anderen Symbolen gemeinsam.
5.5262Es verändert ja die Wahr- und Falschheit jedes Satzes etwas am allgemeinen Bau der Welt. Und der Spielraum, welcher ihrem Bau durch die Gesamtheit der Elementarsätze gelassen wird, ist eben derjenige, welchen die ganz allgemeinen Sätze begrenzen.
(Wenn ein Elementarsatz wahr ist, so ist damit doch jedenfalls Ein Elementarsatz mehr wahr.)
5.53Gleichheit des Gegenstandes drücke ich durch Gleichheit des Zeichens aus, und nicht mit Hilfe eines Gleichheitszeichens. Verschiedenheit der Gegenstände durch Verschiedenheit der Zeichen.
5.5301Daß die Identität keine Relation zwischen Gegenständen ist, leuchtet ein. Dies wird sehr klar, wenn man z.B. den Satz »(x):fx . implies . x=a« betrachtet. Was dieser Satz sagt, ist einfach, daß nur a der Funktion f genügt, und nicht, das nur solche Dinge der Funktion f genügen, welche eine gewisse Beziehung zu a haben.
Man könnte nun freilich sagen, daß eben nur a diese Beziehung zu a habe, aber um dies auszudrücken, brauchen wir das Gleichheitszeichen selber.
5.5302Russells Definition von »=« genügt nicht; weil man nach ihr nicht sagen kann, daß zwei Gegenstände alle Eigenschaften gemeinsam haben. (Selbst wenn dieser Satz nie richtig ist, hat er doch Sinn.)
5.5303Beiläufig gesprochen: Von zwei Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist ein Unsinn, und von Einem zu sagen, es sei identisch mit sich selbst, sagt gar nichts.
5.531Ich schreibe also nicht »f(a, b) . a=b«, sondern »f(a, a)« (oder »f(b, b)«). Und nicht »f(a, b) . ~a=b«, sondern »f(a, b)«.
5.532Und analog: Nicht »(Ex, y) . f(x, y) . x=y«, sondern »(Ex) . f(x, x)«; und nicht »(Ex, y) . f(x, y) . ~x=y«, sondern »(Ex, y) . f(x, y)«.
(Also statt des Russell’schen »(Ex, y) . f(x, y)«: »(Ex, y) . f(x, y) . v . (Ex) . f(x, x)«.)
5.5321Statt »(x):fximpliesx=a« schreiben wir also z.B. »(Ex) . fx . implies . fa: ~(Ex, y) . fx . fy«. Und der Satz »nur Ein x befriedigt f()« lautet: »(Ex) . fx: ~(Ex, y) . fx . fy«.
5.533Das Gleichheitszeichen ist also kein wesentlicher Bestandteil der Begriffsschrift.
5.534Und nun sehen wir, daß Scheinsätze wie: »a=a«, »a=b . b=c . impliesa=c«, »(x) . x=x«, »(Ex) . x=a«, etc. sich in einer richtigen Begriffsschrift gar nicht hinschreiben lassen.
5.535Damit erledigen sich auch alle Probleme, die an solche Scheinsätze geknüpft waren.
Alle Probleme, die Russells »Axiom of Infinity« mit sich bringt, sind schon hier zu lösen.
Das, was das Axiom of infinity sagen soll, würde sich in der Sprache dadurch ausdrücken, daß es unendlich viele Namen mit verschiedener Bedeutung gäbe.
5.5351Es gibt gewisse Fälle, wo man in Versuchung gerät, Ausdrücke von der Form »a=a« oder »pimplies u. dgl. zu benützen. Und zwar geschieht dies, wenn man von dem Urbild: Satz, Ding, etc. reden möchte. So hat Russell in den »Principles of Mathematics« den Unsinn »p ist ein Satz« in Symbolen durch »pimplies wiedergegeben und als Hypothese vor gewisse Sätze gestellt, damit deren Argumentstellen nur von Sätzen besetzt werden könnten.
(Es ist schon darum Unsinn, die Hypothese pimpliesp vor einen Satz zu stellen, um ihm Argumente der richtigen Form zu sichern, weil die Hypothese für einen Nicht-Satz als Argument nicht falsch, sondern unsinnig wird, und weil der Satz selbst durch die unrichtige Gattung von Argumenten unsinnig wird, also sich selbst ebenso gut, oder so schlecht, vor den unrechten Argumenten bewahrt, wie die zu diesem Zweck angehängte sinnlose Hypothese.)
5.5352Ebenso wollte man »Es gibt keine Dinge« ausdrücken durch »~(Ex) . x=x«. Aber selbst wenn dies ein Satz wäre, – wäre er nicht auch wahr, wenn es zwar »Dinge gäbe«, aber diese nicht mit sich selbst identisch wären?
5.54In der allgemeinen Satzform kommt der Satz im Satze nur als Basis der Wahrheitsoperationen vor.
5.541Auf den ersten Blick scheint es, als könne ein Satz in einem anderen auch auf andere Weise vorkommen.
Besonders in gewissen Satzformen der Psychologie, wie »A glaubt, daß p der Fall ist«, oder »A denkt p«, etc.
Hier scheint es nämlich oberflächlich, als stünde der Satz p zu einem Gegenstand A in einer Art von Relation.
(Und in der modernen Erkenntnistheorie (Russell, Moore, etc.) sind jene Sätze auch so aufgefaßt worden.)
5.542Es ist aber klar, daß »A glaubt, daß p«, »A denkt p«, »A sagt p« von der Form »›p‹ sagt p« sind: Und hier handelt es sich nicht um eine Zuordnung von einer Tatsache und einem Gegenstand, sondern um die Zuordnung von Tatsachen durch Zuordnung ihrer Gegenstände.
5.5421Dies zeigt auch, daß die Seele – das Subjekt etc. – wie sie in der heutigen oberflächlichen Psychologie aufgefaßt wird, ein Unding ist.
Eine zusammengesetzte Seele wäre nämlich keine Seele mehr.
5.5422Die richtige Erklärung der Form des Satzes »A urteilt p« muß zeigen, daß es unmöglich ist, einen Unsinn zu urteilen. (Russells Theorie genügt dieser Bedingung nicht.)
5.5423Einen Komplex wahrnehmen, heißt, wahrnehmen, daß sich seine Bestandteile so und so zu einander verhalten.
Dies erklärt wohl auch, daß man die Figur
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auf zweierlei Art als Würfel sehen kann; und alle ähnlichen Erscheinungen. Denn wir sehen eben wirklich zwei verschiedene Tatsachen.
(Sehe ich erst auf die Ecken a und nur flüchtig auf b, so erscheint a vorne; und umgekehrt.)
5.55Wir müssen nun die Frage nach allen möglichen Formen der Elementarsätze a priori beantworten.
Der Elementarsatz besteht aus Namen. Da wir aber die Anzahl der Namen von verschiedener Bedeutung nicht angeben können, so können wir auch nicht die Zusammensetzung des Elementarsatzes angeben.
5.551Unser Grundsatz ist, daß jede Frage, die sich überhaupt durch die Logik entscheiden läßt, sich ohne weiteres entscheiden lassen muß.
(Und wenn wir in die Lage kommen, ein solches Problem durch Ansehen der Welt beantworten zu müssen, so zeigt dies, daß wir auf grundfalscher Fährte sind.)
5.552Die »Erfahrung«, die wir zum Verstehen der Logik brauchen, ist nicht die, daß sich etwas so und so verhält, sondern, daß etwas ist: aber das ist eben keine Erfahrung.
Die Logik ist vor jeder Erfahrung – daß etwas so ist. Sie ist vor dem Wie, nicht vor dem Was.
5.5521Und wenn dies nicht so wäre, wie könnten wir die Logik anwenden? Man könnte sagen: Wenn es eine Logik gäbe, auch wenn es keine Welt gäbe, wie könnte es dann eine Logik geben, da es eine Welt gibt.
5.553Russell sagte, es gäbe einfache Relationen zwischen verschiedenen Anzahlen von Dingen (Individuals). Aber zwischen welchen Anzahlen? Und wie soll sich das entscheiden? – Durch die Erfahrung?
(Eine ausgezeichnete Zahl gibt es nicht.)
5.554Die Angabe jeder speziellen Form wäre vollkommen willkürlich.
5.5541Es soll sich a priori angeben lassen, ob ich z.B. in die Lage kommen kann, etwas mit dem Zeichen einer 27stelligen Relation bezeichenen zu müssen.
5.5542Dürfen wir denn aber überhaupt so fragen? Können wir eine Zeichenform aufstellen und nicht wissen, ob ihr etwas entsprechen könne?
Hat die Frage einen Sinn: Was muß sein, damit etwas der-Fall-sein kann?
5.555Es ist klar, wir haben vom Elementarsatz einen Begriff, abgesehen von seiner besonderen logischen Form.
Wo man aber Symbole nach einem System bilden kann, dort ist dieses System das logisch wichtige und nicht die einzelnen Symbole.
Und wie wäre es auch möglich, daß ich es in der Logik mit Formen zu tun hätte, die ich erfinden kann; sondern mit dem muß ich es zu tun haben, was es mir möglich macht, sie zu erfinden.
5.556Eine Hierarchie der Formen der Elementarsätze kann es nicht geben. Nur was wir selbst konstruieren, können wir voraussehen.
5.5561Die empirische Realität ist begrenzt durch die Gesamtheit der Gegenstände. Die Grenze zeigt sich wieder in der Gesamtheit der Elementarsätze.
Die Hierachien sind und müssen unabhängig von der Realität sein.
5.5562Wissen wir aus rein logischen Gründen, daß es Elementarsätze geben muß, dann muß es jeder wissen, der die Sätze in ihrer unanalysierten Form versteht.
5.5563Alle Sätze unserer Umgangssprache sind tatsächlich, so wie sie sind, logisch vollkommen geordnet. – Jenes Einfachste, was wir hier angeben sollen, ist nicht ein Gleichnis der Wahrheit, sondern die volle Wahrheit selbst.
(Unsere Probleme sind nicht abstrakt, sondern vielleicht die konkretesten, die es gibt.)
5.557Die Anwendung der Logik entscheidet darüber, welche Elementarsätze es gibt.
Was in der Anwendung liegt, kann die Logik nicht vorausnehmen.
Das ist klar: Die Logik darf mit ihrer Anwendung nicht kollidieren.
Aber die Logik muß sich mit ihrer Anwendung berühren.
Also dürfen die Logik und ihre Anwendung einander nicht übergreifen.
5.5571Wenn ich die Elementarsätze nicht a priori angeben kann, dann muß es zu offenbarem Unsinn führen, sie angeben zu wollen.
5.6Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
5.61Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch ihre Grenzen.
Wir können also in der Logik nicht sagen: Das und das gibt es in der Welt, jenes nicht.
Das würde nämlich scheinbar voraussetzen, daß wir gewisse Möglichkeiten ausschließen und dies kann nicht der Fall sein, da sonst die Logik über die Grenzen der Welt hinaus müßte: wenn sie nämlich diese Grenzen auch von der anderen Seite betrachten könnte.
Was wir nicht denken können, das können wir nicht denken; wir können also auch nicht sagen, was wir nicht denken können.
5.62Diese Bemerkung gibt den Schlüssel zur Entscheidung der Frage, inwieweit der Solipsismus eine Wahrheit ist.
Was der Solipsismus nämlich meint, ist ganz richtig, nur läßt es sich nicht sagen, sondern es zeigt sich.
Das die Welt meine Welt ist, das zeigt sich darin, das die Grenzen der Sprache (der Sprache, die allein ich verstehe) die Grenzen meiner Welt bedeuten.
5.621Die Welt und das Leben sind Eins.
5.63Ich bin meine Welt. (Der Mikrokosmos.)
5.631Das denkende, vorstellende, Subjekt gibt es nicht.
Wenn ich ein Buch schriebe »Die Welt, wie ich sie vorfand«, so wäre darin auch über meinen Leib zu berichten und zu sagen, welche Glieder meinem Willen unterstehen und welche nicht etc., dies ist nämlich eine Methode, das Subjekt zu isolieren, oder vielmehr zu zeigen, daß es in einem wichtigen Sinne kein Subjekt gibt: Von ihm allein nämlich könnte in diesem Buch nicht die Rede sein. –
5.632Das Subjekt gehört nicht zur Welt, sondern es ist eine Grenze der Welt.
5.633Wo in der Welt ist ein metaphysisches Subjekt zu merken?
Du sagst, es verhält sich hier ganz, wie mit Auge und Gesichtsfeld. Aber das Auge siehst du wirklich nicht.
Und nichts am Gesichtsfeld läßt darauf schließen, daß es von einem Auge gesehen wird.
5.6331Das Gesichtsfeld hat nämlich nicht etwa eine solche Form:
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5.634Das hängt damit zusammen, das kein Teil unserer Erfahrung a priori ist.
Alles, was wir sehen, könnte auch anders sein.
Alles, was wir überhaupt beschreiben können, könnte auch anders sein.
Es gibt keine Ordnung der Dinge a priori.
5.64Hier sieht man, daß der Solipsismus, streng durchgeführt, mit dem reinen Realismus zusammenfällt. Das Ich des Solipsismus schrumpft zum ausdehnungslosen Punkt zusammen, und es bleibt die ihm koordinierte Realität.
5.641Es gibt also wirklich einen Sinn, in welchem in der Philosophie nicht-psychologisch vom Ich die Rede sein kann.
Das Ich tritt in die Philosophie dadurch ein, daß die »Welt meine Welt ist«.
Das philosophische Ich ist nicht der Mensch, nicht der menschliche Körper, oder die menschliche Seele, von der die Psychologie handelt, sondern das metaphysische Subjekt, die Grenze – nicht ein Teil der Welt.